Ich bin ja der absolute Bahnfahrfan. Die Verspätungen die ich bisher erlebt habe, hielten sich noch in Grenzen. Am Anfang meiner Pendelei nach Darmstadt hatte ich noch öfters Montag früh Verspätungen wegen Personenschäden, bis es keine Montagsselbstmörder mehr gab. Verspätungen hatte ich bis max. 45 Minuten. Ab 30 Minuten gab es immer einen Gutschein für 10 Euro. Der halbe Fahrpreis war damit wieder drin. Aber letzte Woche hatte ich gleich zweimal Verspätung und damit meinen Anschluss in Frankfurt Flughafen knapp verpasst, mein Vertrauen in die Bahn wurde leicht erschüttert. Am Bahnhof Frankfurt Flughafen warten die Züge nicht auf ihren Anschluss. Ich hoffte, dass das nicht die Regel wird. Heute habe ich es wieder riskiert eine Verbindung über den Flughafen zu wählen. Diesmal flutschte alles. Der Zug von Karlsruhe war pünktlich, ich bekam einen schönen Sitzplatz und in Frankfurt wartete mein Anschlusszug gleich gegenüber. Es gab noch einige freie Gangplätze, die zwar mit Taschen und Jacken belegt waren und auf den Fensterplätzen saßen dickliche mittelalterliche Herren. Ich wählte einen Fensterplatz, auf dem Gangplatz saß ein unscheinbarer junger Typ. Ihm sagte ich, dass ich mich auf den Fensterplatz sitzen will. Er nahm etwas widerwillig seine Sachen, setzte sich selbst auf den Fensterplatz und überließ mir den Gangplatz, auch gut. Ich zog mich noch mal kurz aus den Großraumwagen in den Vorraum zurück um Kupi per Handy meine Ankunft und Wagennummer durchzugeben. Dann vertiefte ich mich in mein Buch und freute mich auf 3 Stunden Lesezeit. Mein Sitznachbar musste noch ein Telefonat erledigen und einen ML für 44.000 verkaufen, was auch immer das ist. Dann rief er noch einen Kumpel an und erzählte ihm, dass er jetzt nach Dresden fährt und bei einem Journalisten einen ML abholt. Den rief er dann auch noch an um einen Treffpunkt auszumachen. Zwischendurch fuhren wir durch Tunnel und er versuchte die schlechte Verbindung durch lautes Schreien zu kompensieren. Am Tunnelausgang testete er dann mit lautem HalloHallo ob sein Gesprächspartner noch dran ist. Okay, das hört bestimmt bald auf. So viel ich weiß, gibt es noch keine Handyflatrate, irgendwann wird er an seine Telefonkosten denken. Und so viele ML hat er bestimmt auch nicht zu verkaufen, dachte ich. Aber es kam anders. Er holte aus seinem Rucksack einen Stapel Computerausdrucke und auf jeder Seite war ein ML mit Foto, detaillierten Angaben zur Ausstattung, Zustand, Kilometerstand und Preisangabe. Ab jetzt wusste ich auch, dass ein ML ein Mercedes ist. Ich erfuhr auch, dass mein Sitznachbar Herr Merkel heißt, einige Telefonate führte er in einer Sprache, die ich nicht erkannte. Er ging die Blätter von oben durch und rief jeden Anbieter an und fragte ob die Karre noch zur Verfügung stand, prüfte noch mal die Angaben und handelte den Preis runter, ließ sich den ML reservieren, rief dann einen Käufer, dem er den ML für 4.000 € mehr anbot, ließ ihm 30 Minuten zur Entscheidung. Wie bitte? In einer halben Stunde will er immernoch telefonieren. Langsam nervte es. Leider gab es keine freien Plätze mehr. In Fulda hat sich Zug restlos gefüllt. Einige die um mich rum saßen stöhnten auch schon oder lächelten mich solidarisch an. Das gab mir Mut ihn zu fragen, ob ihm klar ist, dass es nervt. Offensichtlich wusste er das und war auch schon auf die passende Antwort vorbereitet. Jetzt platzte aus ihm heraus, dass das hier schließlich keine Ruheraum ist und er mich schließlich nicht gebeten hat sich neben mich zu setzen und er lässt sich nicht den Mund verbieten. Das war die Wutprobe ( "Die Wutprobe" ist einer der lustigsten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen, mit Jack Nicholson als Psychotherapeut)! Ich bot ihm noch an, dass er in das Mutter-Kind-Abteil gehen kann, das ist leer. Er meinte, dass ich ja dorthin gehen kann. Darauf rief eine Frau eine Reihe hinter mir „Malaka“ oder so, was ihn erschrak und er richtete sich plötzlich auf und wollte sehen, woher das kam. Aber gleich klein beigeben wollte er nicht. Ungefähr 3 Telefonate probierte er noch, ich freute mich über jeden Tunnel und jedes Funkloch. Endlich packte er seine Computerausdrucke in den Rucksack, den er fest auf seinem Schoß hielt und versuchte eine Computerzeitung zu lesen. So richtig konzentrieren konnte er sich aber auch nicht. Dann wollte er noch eine Colaflasche öffnen, als ein Anruf kam. Die Colaflasche wollte er auf den Ablagetisch stellen, den er aber nicht runterbekam, weil sein Rucksack so prallvoll war, wahrscheinlich waren die Geldbündel für mindestens 3 ML darin.
Was macht man mit so einem Typen als Sitznachbar am besten? Sollte man das einfach ertragen, auf sein Bedürfnis im Zug zu Lesen verzichten? Oder mithandeln? Ich habe mich ja dann auch für seine ML's interessiert und die Ausdrucke mitgelesen. Das hat ihm aber auch nicht gepaßt, er sah mich ganz böse an und wollte offensichtlich, dass ich wegsehe. Ich habe ihn dann noch vorsichtig gefragt, ob ich an ihm vorbei aus dem Fenster schauen darf. so richtig einverstanden war er damit auch nicht.
Ich habe dann lieber die Frau gefragt, ob sie mit mir einen Kaffee trinken möchte. Ich hätte mich so für die moralische Unterstützung bedanken können. Leider wollte sie gleich in Eisenach aussteigen. Sie erklärte mir noch, dass sie auf griechisch das schlimmste Wort sagte, was man einem griechischen Mann sagen kann. Erzählte mir noch, dass sie vor Kurzem in Mexiko das Haus von Frida Kahlo besucht hat, von den Farben so beeindruckt ist und nun ein Haus in Trusetal renoviert. Das wäre viel interessanter gewesen.
Sunday, March 11, 2007
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