Meine 24 qm große Einliegerwohnung ist im Dachgeschoss eines 5-geschossigen Wohnhauses. Die Hausgemeinschaft hat zu einer kleinen Party für die neuen BewohnerInnen eingeladen. Außer mir gibt es einen 2 Wochen alten neuen Mitbewohner.
Als das Thema auf Ulrike Mohnhaupt kam, die wohl jetzt in Karlsruhe lebt, wollte ich wissen ob und wie sie sich an die RAF-Zeit erinnern konnten. Ich ging erstmal auf die Gegenfrage ein: Wieso, wie hast Du denn das erlebt? Erzählte von Tratsch aus Senftenberg über die untergetauchte Susanne Albrecht und dass ich mir gar nicht vorstellen kann, wie ein Wessi damals in der DDR unerkannt leben konnte, er müsste sich doch schon durch die Sprache und den unterschiedlichen Wortschatz verraten. Was stellte sie sich unter Popgymnastik vor? Stellte sie sich eine Stunde an, wenn es Bananen gab? Wusste sie z.B was ein Broiler ist? Darauf wurden ersteinmal die regional unterschiedlichen Bezeichnungen für Kartoffelgerichte zu diskutiert. Bevor ich zum hundertsten Mal klärte, wo man Ditscher oder Detscher, Kartoffelpuffer oder Reibekuchen sagt, wollte ich doch mal was von der RAF hören. T. erzählte dann auch, wie die Provinz Karlsruhe 1977 durch das Attentat auf Buback erschüttert wurde und plötzlich in den Medien war. Vorher war sie nur durch den Bundesgerichtshof und zeitweise die Fußballmannschaft im Fernsehen präsent. Die RAF war noch nicht mal insgeheim als Rächer der Armen und Waisen angesehen. Die individuelle Gewalt zum Teil gegenüber alten Bekannten der Eltern und Familie wurde eindeutig geächtet und als schwere Verletzung des Rechtsstaates angesehen. Da fiel mir wieder Axel ein, der nach lieber Alaska ausgewandert ist, nachdem er für seinen Vater Briefe ins Englische übersetzt hat und dabei mitbekommen hat, was für Schweinereien im Welttabakhandel laufen, an denen sich sein Vater und seine Kumpel beteiligten. Wäre er in der gleichen Situation 15 Jahre früher evtl. zur RAF gegangen? Seitdem steht für ihn fest, dass Akademiker und Titelträger nicht immer Gutmenschen sind. Ungefähr zur selben Zeit habe ich das weniger schmerzhaft von Otto Waalkes im Westfernsehen mitbekommen, der von Oberförster Putlich (der die Bäume in Nadel- und Fadenbäume unterteilt hat, eine Unterteilung, die heute noch ihre Gültigkeit hat, zumindest für Oberförster Putlich) sagt: „...eine bedeutende Persönlichkeit! ...aber im Grunde auch nur ein Arsch.“
Ich wollte meine neuen Mitbewohner nicht damit schockieren, dass ich früher in manchen Situationen sagte, heute manchmal noch denke: “ ...da könnte ich zum Terroristen werden!“ Den Satz habe ich mir vor 20 Jahren von Maria abgehört, einer Mutter von 4 kleinen Kindern, Christin und Frau von einem Pfarrersohn, der mit mir in die Schule ging und Chirurg wurde. T. hat gegen Mitternacht gestanden, dass er evtl. demnächst Falschparkern am Kinderspielplatz die Luft ablässt, da er seit er Vater ist, kein Verständnis dafür hat, dass die Polizei in der Nachbarschaft nicht mal eingreift und gleichgültig zusieht. Ist das der Einstieg in die Selbstjustiz und Übergang zum Terrorismus? Ich denke NEIN. Dank Meinungsfreiheit kann man das ja mal sagen, denn „Die Gedanken sind frei“
Liebe Mitbewohner, Danke für den schönen Abend, ich werde Euch demnächst mal zu Thüringer Rostbratwürsten an den Grill einladen.
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